Akt I — Der Anfang

Kei­ner von ihnen hät­te jemals gedacht dass es so enden wür­de. Gera­de Hurog­dem Ork mach­te es gro­ße Schwie­rig­kei­ten. Aber auch den Ein­bei­ni­gen schien die­Sa­che noch här­ter getrof­fen zu haben als die ande­ren, sofern man sol­che Abstu­fun­gen über­haupt machen konnte.

Kei­ner von ihnen wuss­te genau, wie lan­ge sie schon hier waren, und wo genau „hier“ über­haupt war. Irgend­wo in Tal­ore, soviel hat­ten sie­her­aus­be­kom­men, aber das war auch alles. Die Göt­ter schie­nen ihnen einen üblen­Streich spie­len zu wol­len, denn sie waren in die Hän­de von Sklavenhändlerngefallen…

Bereits seit meh­re­ren Mona­ten befan­den sie sich nun in dem Lager, irgend­wo in der Nähe der Stadt Raben­baum. Die­ses Wis­sen, genau wie das Wis­sen, dass es vie­le Wachen und Hun­de gab, war von eini­gen teu­er erkauft wor­den. Der Halbling,von dem sie nicht mal den Namen wuss­ten, hat­te sich aus der Zel­le her­aus­ge­wun­den, nur um vor ihren Augen von einem Blut­hund zer­ris­sen zu wer­den. Alle wei­te­ren Fluch­plä­ne wur­den danach erst ein­mal auf Eis gelegt. Bald soll­ten­sie, wie so vie­le Ande­re auch, ver­kauft wer­den. Wenn das nicht gelän­ge wür­den sie in eine Mine gebracht wer­den, nur um sich dar­in zu Tode zu arbei­ten. Oder, was noch schlim­mer wäre, an die Front geschickt wer­den um im Krieg gegen Dalo­ra kämp­fen zu müssen.

Dies­mal hat­ten die Göt­ter offen­sicht­lich etwas Gna­de wal­ten las­sen. Nach eini­gen ban­gen Tagen an denen sie wie Vieh von Skla­ven­händ­lern unter­sucht wor­den waren, war ihr wei­te­res Schick­sal besie­gelt. Sie waren nicht bei einem Dra­go gelan­det, der sie auf Nim­mer­wie­der­se­hen übers Meer genom­men hät­te, son­dern bei einem Tal­orer. Amma­nas Schwarz­forst, ein Hexer, war mit zwei sein­erScher­gen, Eric und Ulf, auf­ge­taucht und hat­te 10 Mann mit­ge­nom­men. An Hän­den­und Füßen anein­an­der gebun­den waren sie auf zwei ver­häng­te Wagen gela­den wor­den und meh­re­re Tage durch die Wäl­der gerum­pelt. An ihrem Ziel ange­kom­men waren sie jetzt zwar aus dem Lager hin­aus, aber dafür irgend­wo tief in der tal­ori­schen Wild­nis. Amma­nas hat­te nur 6 gro­be Ker­le sei­nes Klans als Wachen, aber die­se und 2 gro­ße Blut­hun­de sowie der unwirt­li­che Wald um sie her­um reich­ten mehr als­aus um jeg­li­chen Gedan­ken an eine erfolg­rei­che Flucht sofort im Kei­me zu ersticken.

Der Rabenschnabel

Der Raben­schna­bel

Recht bald zeig­te sich, dass es bei dem Hexer kei­nen Deut bes­ser war als im Lager. Bis auf Lis­beth, die in ers­ter Linie für das Kochen für alle zustän­dig war, muss­te der Rest arbei­ten. Schnell stell­te sich her­aus, dass ihre Haupt­auf­ga­be dar­in bestand den ein­ge­stürz­ten Kel­ler des alten Turms wie­der aus­zu­gra­ben. Der Raben­turm war wohl schon eini­ge hun­dert Jah­re alt und im Lau­fe der Jah­re mehr­mals beschä­digt und wie­der repa­riert wor­den. Über einem alten Kern auf gro­ben Stei­nen war irgend­wann ein Turm aus Zie­geln auf­ge­stockt wor­den. Über dem Ein­gang war noch schwach ein ver­wit­ter­ter Rabe zu erken­nen. Die Kel­ler soll­ten sich nach Amma­nas eini­ge Stock­wer­ke unter der Erde hin­zie­hen. Immer wie­der muss­te das Schau­feln und Zer­ren von Stei­nen und Schutt unter­bro­chen wer­den, wenn Ton­scher­ben oder Res­te von Gebrauchs­ge­gen­stän­den gefun­den wurden.Da die Werk­zeu­ge auf eini­ge Spitz­ha­cken und Schau­feln beschränkt waren, wur­den gro­ße Men­gen Schutt und Bruch­stü­cke mit Mus­kel­kraft nach oben geschafft. Auch muss­ten immer wie­der Bäu­me gefällt wer­den um die insta­bi­len Kel­ler abzustützen.

Amma­nas ließ den etwas wei­ner­li­chen Men­schen, Richard von Bir­ken­au, schon bald statt als Aus­grä­ber lie­ber als sei­nen Assis­ten­ten in der Turm­kam­mer schuf­ten. Dies war nicht gra­de ange­neh­mer, da Amma­nas ein übel rie­chen­der pocken­nar­bi­ger Gesel­le war. An eini­gen Tagen kam noch eitern­der Aus­schlag hin­zu, was Amma­nas aber selt­sa­mer­wei­se meist in gute Lau­ne ver­setz­te. Er sucht wohl irgend­ein wich­ti­ges Ding in den Gewöl­ben, und wenn er auch nicht ver­such­te die Skla­ven schlecht zu behan­deln, so scher­te er sich doch wenig um ihr Wohl­erge­hen. Theo­bald, ein älte­rer Mensch aus Cata­ra, fing nach ein paar Wochen an merk­lich lang­sa­mer zu wer­den und über Schmer­zen zu kla­gen. Trotz sei­ner Bit­ten und denen sei­ner Kol­le­gen wur­de ihm wei­ter der schwe­re Stein auf­ge­bür­det. Nach­dem er sich am nächs­ten Tag stand­haft wei­ger­te sein Los zu tragen,wurde er von der Wache Loric übel zusam­men­ge­schla­gen. Da jeder, der nicht arbei­te­te nichts zu Essen bekam, war er am nächs­ten Abend tot. Jedem wur­de klar, das auch hier das Ende lau­er­te und Amma­nas ließ sich den Leich­nam lachend in sei­ne Kam­mer tra­gen. Nie­mand woll­te nach sei­nem Tod auf dem Expe­ri­men­tier­tisch des ver­ab­scheu­ungs­wür­di­gen Hexers lan­den, und die Stim­mung im Schlaf­raum war noch gedrück­ter als sonst…

Am nächs­ten Mor­gen zeig­te sich, wie sehr die Skla­ven von der Höl­le ins Fege­feu­er gekom­men waren. Im Kel­ler beim Mor­gen­ap­pell tauch­te auch der alte Theo­bald auf. Lei­chen­blass und wort­los begann er zu arbei­ten, ohne eine Mie­ne zu ver­zie­hen und ohne Pau­se. Amma­nas, des­sen Haut von Geschwüls­ten über­säht schien, stieß ein kräch­zen­des Lachen aus. „Hier ist jeder beim Arbei­ten nütz­lich!“ rief er, und ging kichernd in den Turm zurück. Theo­bald arbei­te­te ohne Unter­lass. Wäh­rend der nächs­ten Tage muss­ten die 9 übrig­ge­blie­be­nen zuse­hen, wie der alte Mann, der jetzt Tag und Nacht arbei­te­te, lang­sam begann zu ver­we­sen. Nur auf dem Sezier­tisch zu lan­den schien auf ein­mal noch ver­gleichs­wei­se harm­los als Schick­sal. Und der Berg aus altem Gestein vor dem Turm wuchs unauf­hör­lich. Am Tag nach­dem dem Leich­nam Theo­balds wäh­rend der Arbeit ein Arm abge­fal­len war, ver­such­te Arlas der Elb beim Mor­gen­ap­pell sein Heil in der Flucht. Björn und Tho­re wur­den sofort mit den Hun­den hin­ter­her geschickt. „Wuss­te wohl nicht wo er hin soll­te…“, lacht­eTho­re, als sie mit den Hun­den wie­der­ka­men. Blut troff noch immer von den Lef­zen­der Hun­de. Der Elb konn­te nicht so lan­ge wie der alte Mann durch­hal­ten, die Biss­wun­den beschleu­nig­ten sei­nen Ver­fall. Die rest­li­chen Skla­ven waren mehr als erschüttert.

Inzwi­schen waren sie schon ein hal­bes Jahr im Raben­turm. Sie hat­ten mehr Stei­ne geschleppt, als sie jemals für mög­lich gehal­ten hat­ten. Um den Turm war inzwi­schen eine klei­ne Lich­tung ent­stan­den. Auch hat­te Amma­nas befoh­len aus den Trüm­mern noch ver­wert­ba­re Stei­ne und Bau­tei­le aus­zu­sor­tie­ren. Ein­mal hat­ten ein paar Tal­orer Amma­nas besucht und die Skla­ven hat­ten 2 köst­li­che Tage Ruhe in ihrem Quar­tier gehabt. Es schien zufrie­den stel­lend zu lau­fen für den Hexen­meis­ter. Sei­ne Klan­mit­glie­der hat­ten eini­ge Fund­stü­cke mit­ge­nom­men, die offen­sicht­lich sehr Kost­bar waren. Danach ging die Arbeit aller­dings unver­än­dert wei­ter, nur manch­mal fan­den sie jetzt Ske­let­te unter den Trüm­mern, die von Amma­nas mit viel Respekt im Wald ver­gra­ben wurden.

Im zwei­ten Unter­ge­schoss hat­ten sie am Vor­mit­tag 2 Stein­ta­feln gefun­den und dar­auf den Nach­mit­tag nicht arbei­ten müs­sen. So etwas war wegen eines­Fund­stücks noch nie vor­ge­kom­men, es muss­te ein beson­de­rer Fund sein. Richard­konn­te den gan­zen Tag beob­ach­ten, wie Amma­nas Tei­le der Inschrif­ten über­setz­teund sich Noti­zen mach­te. Was auch immer er such­te, es schien von gro­ßer Bedeu­tung und ein gutes Stück näher gekom­men zu sein. Richard muss­te alle mög­li­chen Boten­gän­ge unter­neh­men und konn­te kei­ne Tin­te fin­den, da sie sei­ner  Mei­nung nach auf­ge­braucht war. Flu­chend schlug Amma­nas den Skla­ven zu Boden und stapf­te sel­ber die Trep­pe hin­auf in den Lager­raum. Nach­dem sich Richard wie­der­auf­ge­rap­pelt hat­te, konn­te er sei­nen Augen kaum trau­en. Auf dem Tisch lag eine Kar­te, in der sowohl der Raben­turm wie auch meh­re­re Dör­fer ein­ge­zeich­net waren. Und neben einer gestri­chel­ten Linie, wohl eine Gren­ze, konn­te er das Wap­pen sei­ner Hei­mat aus­ma­chen, die Forel­le von König Edward auf Blau-rotem Grund. Schnell blick­te er sich um, nahm einen Papier­fet­zen und zeich­ne­te mit Koh­le die wich­tigs­ten Land­mar­ken, und die Pfei­le die Amma­nas gemalt hat­te, ab. Sein neu­es Ziel schien eine wei­te­re Rui­ne eines Turms im Süden zu sein. Jetzt hat­ten sie­ei­ne Kar­te und wuss­ten, dass sie nur 2 Tage von Cata­ra ent­fernt waren. Nach­dem der schwar­ze Lars sei­nen Abend­rund­gang gemacht hat­te, konn­te er den Ande­ren davon­er­zäh­len. Noch nie erschien die Chan­ce auf Flucht so nah und so vielversprechend…