31

Jul

by JollyOrc

Bei Magister Heubrandt

Die Woh­nung von Magis­ter Heu­brandt stank nach fau­len Eiern. Tarek frag­te sich, ob der alte Magi­er nicht viel­leicht sei­nem Die­ner zu viel bezahl­te, dann aber fiel ihm ein, dass Heu­brandt ja auch gele­gent­lich alche­mis­ti­sche Expe­ri­men­te betrieb. Und rich­tig, als der Magis­ter Tarek in sei­ner Biblio­thek emp­fing trug er noch einen leicht schmud­de­li­gen Kit­tel über sei­ner Robe.

Ah, Herr Birk, schön Sie wie­der­zu­se­hen. Haben Sie etwa Neu­ig­kei­ten für mich?“

Tarek nick­te.

Nicht all­zu viel, aber den­noch genug, um Sie auf­zu­su­chen den­ke ich.“

Mit  knap­pen Wor­ten erzähl­te Tarek was sei­ne Infor­man­ten für ihn her­aus­ge­fun­den hat­ten: Daß das Dra­go-Schiff „Schwin­ge“ unter Kapi­tän Tuss ‚Trik, Haus Rassk schon vor drei Tagen ein­ge­lau­fen sei, daß die Man­schaft (kaum ver­wun­der­lich) nur aus Dra­gos bestün­de und auch kei­ne Men­schen an Bord ließ. Dazu erzähl­te er von den Beob­ach­tun­gen Hafen­heins, daß die Kis­ten dies­mal nicht wie gewöhn­lich umge­schla­gen wur­den, son­dern ziem­lich schnell von einem noch unbe­kann­ten Fuhr­un­ter­neh­men bei Nacht und Nebel abge­holt wurden.

Zusätz­lich erwähn­te er das doch recht stei­fe Gebah­ren der Dra­gos, und deren Drachenzahnamulette.

Tarek war klar, daß dies doch recht dürf­ti­ge Infor­ma­tio­nen waren. Daher kos­te­te es ihn eini­ge Mühe sei­ne Über­ra­schung zu ver­ber­gen als Magis­ter Heu­brandt ihm den­noch zwei Taler als Lohn in die Hand drückte.

Wenn Ihr mehr über die Kis­ten oder deren Bestim­mungs­ort her­aus­fin­den könn­tet, zah­le ich ger­ne noch ein­mal zwei Taler.“

Wer transportiert denn so was?

Zufrie­den pfei­fend ver­ließ Tarek Magis­ter Heu­brandts Haus. Wigand und Mar­tin hat­ten sich als Infor­man­ten also durch­aus bewährt, etwas was man beloh­nen sollte:

Hier habt Ihr jeder einen Taler, der Kun­de war recht zufrie­den!“ Tarek ließ sich sei­ne Freu­de über die ver­dutz­ten Gesich­ter nicht anmer­ken. „Mar­tin, Du kennst Dich doch aus: Wer bewegt denn so noch Waren durch die Stadt?“

Mar­tin Krä­mer brauch­te nicht lan­ge zu über­le­gen und fer­tig­te Tarek eine Lis­te der frei­en Fuhr­un­ter­neh­mer der Stadt an. Hafenhein wur­de zusam­men mit ein paar Hafen­rat­ten los­ge­schickt um zu sehen, ob er irgend­ei­nen der Fuhr­män­ner wie­der­erken­nen wür­de — und sie­he da nach einem hal­ben Tag war klar, daß Barn­sen Trans­por­te die Kis­ten der „Schwin­ge“ abge­holt hatte.

Und die zahlen nichts?

Tareks Groß­zü­gig­keit war natür­lich nicht ein­fach selbst­los. Viel­mehr freu­te er sich, daß ihm die­se Umstän­de auf eine neue Ein­nah­me­mög­lich­keit auf­merk­sam mach­ten: Diver­se Fuhr­wer­ke rum­pel­ten täg­lich durch „sein“ Gebiet, ohne daß sie sich bei ihm gegen irgend­wel­chen Unbill versicherten.

Ein Umstand der er ändern woll­te. Zur Vor­be­rei­tung hieß er sei­nen Stell­ver­tre­ter „Nar­be“ etwas bei den Stra­ßen­kin­dern durch­si­ckern zu las­sen: Soll­ten sie sich an der Ladung bestimm­ter Fuhr­wer­ke bedie­nen, wür­den sie kei­nen Ärger mit ihm bekommen…

Und warum liegt denn da Stroh?

Barn­sens Trans­por­te hat­te sein Haupt­quar­tiert direkt vor den Toren der Stadt. Ein Stall­ge­bäu­de für die Pfer­de und Fuhr­wer­ke, ein klei­nes Lager und ein Wohn- und Geschäfts­haus — nicht viel, aber den­noch geschäf­tig genug erkann­te Tarek. Selbst in Akti­on zu tre­ten ver­bat sich, schon allei­ne weil das sei­nen spä­te­ren Plä­nen scha­den könnte.

Schätz­chen, Du kannst doch gut mit Män­nern…“ wand­te er sich an Sina. Die­se schau­te aner­ken­nend grin­send auf die Mus­keln eines der Stall­bur­schen und nickte.

Kei­ne Sor­ge, was der weiß, erfah­re ich schon.“

Wenig spä­ter kam sie, ein klein wenig aus­ser Atem und mit ver­rutsch­ter Blu­se zurück. „Fla­schen. In den Kis­ten waren Flaschen.“

Die Kultgasse

Aber Sina hat­te auch her­aus­ge­fun­den, wohin die Kis­ten gebracht wur­den: Ein Innen­hof an der Kult­gas­se, direkt hin­ter dem Tem­pel des Kul­tes der Neun Alta­re. Natür­lich woll­te Tarek sich auch dort umse­hen, auch wenn das Gebiet ja eigent­lich den Tem­pel­tau­ben gehör­te — und deren Chef Kra­ger war nicht son­der­lich gut auf Hafen­rat­ten zu sprechen…

Also ließ Tarek wie­der ein­mal den ande­ren den Vor­tritt. Mar­tin, sich an sei­ne Rol­le als Infor­ma­ti­ons­be­schaf­fer gewöh­nend, sprach geschickt diver­se Anwoh­ner an, und erfuhr, daß vom Hin­ter­hof aus sicher­lich der eine oder ande­re Kel­ler erreich­bar sei, und daß man von Ver­bin­dungs­gän­gen zwi­schen dem Kult­tem­pel und dem Quar­tier munkelte.

Von den Kis­ten der „Schwin­ge“ war natür­lich nichts zu sehen, zumin­dest nicht solan­ge man nicht ver­su­chen wür­de, sich mal das Inne­re eines die­ser Kel­ler anzuschauen…

Diplomatie unter Gaunern

Tarekt fluch­te inner­lich. Muss­te die­ses Haus aus­ge­rech­net in Kra­gers Gebiet liegen?

Die unglück­li­che Begeg­nung am Alten Markt vor eini­gen Mona­ten las­te­te noch schwer auf den Bezie­hun­gen zwi­schen Rat­ten und Tau­ben, und Kra­ger war nie­mand, der so etwas schnell vergaß.

Den­noch, die Sache war zu inter­es­sant, als daß er jetzt auf­ge­ben würde.

Nar­be, schick doch mal jeman­den zu Kra­ger. Wir wür­den uns ger­ne mal in einem bestimm­ten Haus in sei­nem Gebiet umsehen…“

Tareks rech­te Hand schau­te ihn zwei­felnd an, nick­te dann aber nur.

Ach, und Nar­be: Nur für den Fall daß Kra­ger doch noch sau­er ist, schick jeman­den der die Prü­gel im Zwei­fel auch ver­dient hat.“

Womit Tarek aller­dings nicht rech­ne­te, war daß Kra­ger tat­säch­lich selbst auf­tauch­te. Daß er gleich vier Schlä­ger zur Sicher­heit mit­nahm kam ihm zwar leicht über­trie­ben vor, aber man weiß ja nie.

Das selbst­si­che­re über­heb­li­che Grin­sen auf dem Gesicht des Elfen mach­te Tarek dann aber doch stutzig.

Mes­ser, welch eine Freu­de Dich wie­der­zu­se­hen. Und noch grö­ßer die Freu­de, daß ich Dir das hier“, mit geüb­tem Schwung über­gab er Tarek eine ver­sie­gel­te leder­ne Hül­se, „mit­brin­gen kann.“

Tarek erkann­te die Hül­se sofort: Die Ehren­wer­te Gil­de pfleg­te damit Bot­schaf­ten zu über­mit­teln. Und das waren sel­ten gute Nachrichten…

Viel­leicht über­neh­me ich Dein Vier­tel ja eher frü­her als spä­ter mein lie­ber Tarek. Gut, eini­ge Kaschem­men müss­te ich wohl ein­rei­ßen las­sen…“ sein Blick streif­te über die Ein­rich­tung des Messerhauses.

Halt die Klap­pe Kra­ger.“ Tarek sah es nicht ein, sich in sei­nem eige­nem Haus bedro­hen zu las­sen. Nach außen hin völ­lig ruhig öff­ne­te er die Leder­hül­le und ent­roll­te die ent­hal­te­ne Nach­richt. Sicher­heits­hal­ber hielt er sie so, daß der Anfüh­rer der Tem­pel­tau­ben sie nicht ein­se­hen konnte.

Mes­ser, unter­las­se Dei­ne Nach­for­schun­gen. Weder die Kis­ten noch deren Emp­fän­ger sind von Belang für Dich.

Eine ein­deu­ti­ge War­nung, damit hat­te Tarek nicht gerech­net! Ein Lächeln umspiel­te sei­ne Lip­pen: Die Infor­ma­tio­nen für Magis­ter Heu­brandt wur­den soeben deut­lich wertvoller..

Als er von dem Papier auf­blick­te sah er in Kra­gers fra­gen­de Augen. Ohne Zwei­fel, der Elb hat­te kei­ne Ahnung, was in dem Schrei­ben stand. Kalt lächelnd hielt Tarek es an die Flam­me der Ker­ze neben ihm — soll­te sich Kra­ger doch wundern.

Mein Freund, ich dan­ke Dir für die­se guten Nach­rich­ten. Du kannst jetzt gehen.“

Offen­sicht­lich war das nicht die Reak­ti­on die sein Riva­le sich erhofft hat­te, aber Kra­ger hat­te sich im Griff. Er ver­beug­te sich spöt­tisch und ver­ließ mit sei­nen Schlä­gern das Messerhaus.

Tarek seufz­te. Inter­es­san­te Zei­ten war­te­ten auf ihn…

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