Tarek las den Brief während des Abendessens. Der Umschlag war speckig, er war sicherlich durch viele Hände gegangen. Das Datum auf dem Brief zeigte, daß seine Reise von Königshafen im Süden bis hierher nach Ossum fast ein halbes Jahr gedauert hat.
Nachdenklich kratzte er sich das stoppelige Kinn. Jakob von Faust hatte sich damals vor ihn geworfen, den Magieblitz eines Hexers für ihn abgefangen. Ob es ihm gefiel oder nicht, der war seinem ehemaligen Hauptmann etwas schuldig. Und war es nicht eh Zeit Ossum zu verlassen?
„Heh, schaut mal wer uns schreibt!“
29
Sep
Lieber Tarek, liebe Freunde, 13.1.258 dL
das Schicksal hat es nicht gut mit mir gemeint – aber vielleicht ist auch nicht das Schicksal alleine am Werk. Mein Weg hat mich zurück in die Heimat geführt, nach Gut von Faust. Ich bin schwer erkrankt, an der Familienkrankheit, und weiß nicht, ob ich noch lange habe. Dinge haben sich in meiner Abwesenheit getan, seltsame Dinge. Wahrscheinlich habe ich es nur mir selbst zuzuschreiben, aber ich habe versucht einen Ausweg zu finden, und bin doch wieder da wo ich gestartet habe… Die Angelegenheit ist delikat, und ich weiß nicht, wie ich sie bewältigen soll. Ihr hingegen habt vielleicht die Möglichkeit – die Möglichkeit die mir verwehrt blieb. Ich habe lange mit mir gerungen, ob ich Fremde in diese Familienangelegenheit bringen sollte. Ich dachte ich sei stark genug. Aber offenbar ist es stärker als ich. Ich bin nur noch ein Schatten meiner selbst, und kann es nicht alleine bewältigen. Aber ihr, ihr habt mit mir damals alles Bezwungen, was sich uns entgegenstellte. Darum bitte ich euch, mir noch einmal zu Seite zu stehen. Kommt zu meinem Familiensitz. Kommt nach Königshafen und dann zu meinem Gut. Kommt bevor es zu spät ist!
Euer Freund
Jakob
29
Sep
Die folgenden Wochen waren von gemeinsamem ausheilen der Wunden, und dann von weiteren Aufgaben gefolgt. Und aus Wochen wurden Monate. Einige Gefährten wurden ausgetauscht, aber die Flüchtlinge von Catar blieben zusammen. Jakob von Faust, euer furchtloser Anführer, zog bald weiter, immer noch getrieben auf der Suche nach einer Berufung oder was auch immer. Nach den Ereignissen mit dem Hexer war er glücklich, euch Freunde zu nennen und verabschiedete sich mit dem Versprechen, für euch da zu sein, wenn ihr ihn brauchen würdet. Ihm war klar, dass ihr über die Vergangenheit nicht reden mochtet, aber wenn ihr ihn brauchen würdet, würde er seinen Einfluss und Namen gerne für euch einsetzen.
So wurden aus Monaten Jahre. Tareks Trupp, wie ihr bald genannt wurdet wurde bald zu einer festen Größe in den Grenzlanden, selbst wenn der Kampf mit den Hexern das gefährlichste und aufregendste Erlebnis bleiben sollte. Aber auch Patrouillen, Viehdiebe und Möchtegern-Hexer sowie die im ganzen Reich angespannte Lage, hielten das Leben aufregend. Die Räte hatten entschieden keinen neuen König zu bestimmen, die Fürsten begannen ihre Provinzen autonomer zu regieren und trotz allem, oder wegen der guten Arbeit des Rates, blieb das Land friedlich. Gerüchte machten die Runde, dass sich ein Fürst zum König aufschwingen würde, und verstummten wieder. Vorsichtiger Kontakt wurde angeblich mit den Zwergen aufgenommen, aber das Verhältnis schien gespannt. Ein großes Stadtschiff der Elfen wurde in den Gewässern vor Catara gesichtet, was alle Händler frohlocken ließ. Und es gab zunehmende Gerüchte von Kämpfen im Norden, in den Orklanden. Mancher hielt es, nach ersten Berichten, für wahrscheinlicher, das jemand die Orklande vereinigen könnte, als dass Catara wieder einen König bekäme. Nachdem fast fünf Jahre vergangen waren, seit jenem schicksalshaften Tag in Catar, war Tarek der Meinung, dass es vielleicht bald an der Zeit sei, einmal die Fühler nach Catar auszustrecken und zu sehen, ob nicht langsam Gras über die Sache gewachsen war. Aber während Tarek sich noch mit dem Gedanken anfreundete, erreichte ihn ein Brief, der offensichtlich schon ein paar Monate unterwegs war. Es schien ein interessanter Frühling 258 zu werden…
15
Sep
Magister Heubrandt fand die Informationen, die Tarek ihm liefern konnte tatsächlich wertvoll genug, um ein paar Goldmünzen zu zahlen. Weiterlesen
31
Jul
Bei Magister Heubrandt
Die Wohnung von Magister Heubrandt stank nach faulen Eiern. Tarek fragte sich, ob der alte Magier nicht vielleicht seinem Diener zu viel bezahlte, dann aber fiel ihm ein, dass Heubrandt ja auch gelegentlich alchemistische Experimente betrieb. Und richtig, als der Magister Tarek in seiner Bibliothek empfing trug er noch einen leicht schmuddeligen Kittel über seiner Robe.
„Ah, Herr Birk, schön Sie wiederzusehen. Haben Sie etwa Neuigkeiten für mich?“ Weiterlesen
7
Jul
Der König ist Tot!
Die Nachricht traf alle vollkommen unerwartet: Der geliebte König Gerrit, er war tot.
Natürlich wusste jeder, dass Gerrit ein alter Mann war, aber wer rechnet schon damit, dass der Mann, den alle eigentlich nur als einzigen König kannten, plötzlich weg sein würde?
Nun also trug Catara Trauer, aber im Hafenviertel ging das Leben dennoch weiter. Tarek war sich sicher, „die da Oben“ würden sich schon irgendwie einigen. Bis dahin würde er hoffentlich an den Fehden einiger Adelsfamilien mitverdienen. Weiterlesen
26
Mai
König Gerrit von Catar hatte vor wenigen Jahren sein 60stes Thronjubiläum gefeiert und sah mit Mitte 80 immer noch aus wie ein Mittvierziger und hatte auch den entsprechenden Élan. Er regierte sein Reich, Catara, gütig, weise, und mit der Unterstützung des Volkes. Ein jeder Bürger, egal ob er Mensch, Ork oder ein Vertreter einer anderen Rasse war, konnte nur eingestehen, dass die Herrschaft Gerrits wahrhaftig ein Goldenes Zeitalter war. Seit drei Generationen hatte es keinen Krieg gegeben und das Land prosperierte. Gerrit hatte den Unteren und den Oberen Rat eingerichtet, und den Unteren Rat dem Volk zur Wahl gestellt.
Auch der Frondienst war abgeschafft, und viele Fürsten und Adelige sparten sich den Unterhalt eines großen Heeres. Stattdessen sorgten kleinere, eher zivil ausgerichtete Wachtruppen in den Städten und auf den Straßen für Recht und Ordnung.
Ins Reich war eine gewisse Ruhe eingekehrt: Die Adeligen führten ihre Fehden lieber vor Gericht, Söldner waren einfach auf Dauer sehr kostspielig. Die Kirche des Heiligen Vaters Elegil wachte über die Mauer und im Norden ging es auch verhältnismäßig zivilisiert zu. Der Orden des Zwei-Gesichtigen Erzengels Jalenu hatte alle Spuren von Dämonen innerhalb des Reiches ausgemerzt, und wann immer sich die Unterwelt öffnete waren sie auch zur Stelle. Die Hauptaufgabe des Ordens war aber die Sicherung der Mauer im Süden Fellands.
Die sich immer mal wieder öffnenden Tore zu Unterwelt konnten in Catara selbst leicht geschlossen werden, aber die wilden Lande des Südens gab es keine einende Kraft, welche solche Ziele verfolgte. Die Kirche betrieb eifrige Versuche die Barbaren zu missionieren. Dennoch gab es einige Landstriche in denen Untote Ausgeburten der Unterwelt einen Pakt mit den Menschen geschlossen hatten. Teilweise agierten die Untoten dort sogar unangefochten als Herrscher. Gerüchten zufolge, gab es weit im Süden einen Herrscher, der angefangen hatte die Stämme zu einen und die Gefahr der Untoten zu kontrollieren. Aber wie es wirklich darum stand, das wusste niemand.
In Catara schickte der Heilige Vater in Notfällen seine Erzengel sogar direkt, um sich der Probleme anzunehmen. Der Handel mit den Zwergen war zwar sehr stark zurückgegangen, aber mit diesen Götzenanbetern, die Feuer und Eis huldigten, wollte man auch nicht viel zu tun haben. Das die Dragos ihrem Drachen huldigten, war zwar auch etwas suspekt, aber dafür brachten ihre Schiffe, genau wie die der Elfen, jede Menge Waren und Reichtum in das Land. Es war auch fast 60 Jahre her, dass ein paar Helden, die den Großen Helden des Krieges nacheiferten, die Felidae zurückgebracht hatten. Irgendein fehlgeschlagenes Ritual hatte die Felidae nicht nur verschwinden lassen, sondern auch noch das kollektive Gedächtnis an sie gelöscht.
Auch ansonsten hatte sich viel getan. Die Feuerwaffen, welche im letzten Krieg in Mode gekommen waren, hatten sich leider als nicht all zu zuverlässig erwiesen. Der Segen der Götter löste offenbar einen kleinen aber wichtigen Bestandteil des Schwarzpulvers auf, was die ganze Geschichte sehr ungünstig machte, denn wer wollte schon auf den Segen und die Heilung des Heiligen Vaters und der Erzengel verzichten? In anderen Bereichen der Magie und der Technik waren aber schon Fortschritte gemacht worden, weswegen z.B. gedruckte Flugblätter in jeder Stadt für ein paar Pfennige zu erwerben waren, und Catar jetzt nachts von dem sanften Schein gasbetriebener Lampen erhellt wurde.
Doch nichts sollte ewig halten, und während das Leben in Catara gut erschien, brauten sich am Horizont erste Wolken zusammen…